Eine Weltmeisterschaft ohne Bösewichte – und ohne Helden?

Die Fußballweltmeisterschaft in Russland ist beendet, das französische Team wurde verdient Weltmeister. Nun ja, auch Kroatien hätte aus dem Endspiel verdient als Weltmeister herausgehen können. Immerhin haben die Kroaten die ersten drei Tore im Spiel geschossen oder verursacht, und damit Frankreich 2:1 in Führung gebracht. Die Franzosen alleine hätten das nicht geschafft. Nachdem Mario Mandzukic die Franzosen durch ein überflüssiges Eigentor in Führung gebracht hatte, gelang den kampfstarken Kroaten bald darauf der Ausgleich. Die Franzosen konnten erst wieder in Führung gehen, nachdem die Kroaten mit einem Handspiel im Strafraum die Grundlage für Griezmanns Elfmetertor gelegt hatten. Dass die Franzosen danach das Heft nicht mehr aus der Hand gegeben haben, ist sicher ihrer Erfahrung zu verdanken oder auch der Unerfahrenheit der Kroaten, für die die Teilnahme im Endspiel der bisher größte Erfolg in der Geschichte dieser Fußballnation ist. Ohne das Eigentor und den Handelfmeter, wer weiß, Kroatien wäre vielleicht jetzt der amtierende Weltmeister.

Wie es auch immer sei, das Endspiel war spannend und einer Weltmeisterschaft würdig, aber wer war denn der Held dieser WM? Wer hat seine Mannschaft gerettet, oder wer wurde Torschützenkönig? Oder gab es einen Schurken, ein besonders schweres Foul oder eine Kampfszene? Sie können sich nicht daran erinnern? Offenbar wird die Weltmeisterschaft in Russland in die Geschichtsbücher eingehen als eine, die ohne Helden und Schurken auskommen musste.

Torschützenkönig wurde der Engländer Harry Kane mit unschlagbaren 6 Toren. Hätten Sie’s gewusst? Den zweiten Platz teilen sich Lukaku, Ronaldo, Tscheryschew, Mbappé und Griezmann. Kein Held dabei, Griezmann vielleicht, zumindest aus Sicht der Franzosen.

Gewinner gab es nicht so viele, aber Verlierer. Deutschland und Polen schieden schon nach der Vorrunde vorzeitig aus dem Turnier aus. Kommentare zur deutschen Mannschaft erübrigen sich an dieser Stelle, mit seinen polnischen Kollegen ging Robert Lewandowski hart ins Gericht.

Frühere Weltmeisterschaften hatten ihre Helden. Bei dem Wunder von Bern war es Helmut Rahn, in den 70er Jahren hatten Pelé, Franz Beckenbauer und Johan Cruyff ihre Einsätze. In Mexiko erklomm Diego Maradona den Himmel der Heldenverehrung. Die Franzosen krönten 1998 Zinedine Zidane zu ihrem Helden. Sie alle gaben dem Turnier ihre persönliche Note, durch besonderen Einsatz führten Sie ihr Team mit ihren Taten zum Sieg oder verdienten sich zumindest die Bewunderung, die Helden üblicherweise zuteil wird.

Doch wer käme 2018 für diese Rolle infrage? Kein Torwart, der durch besonders herausragende Leistungen den Erfolg seines Teams garantieren konnte, kein Stürmer, auf den immer zu zählen war. Das Podium mit der Heldenstatue bleibt in diesem Jahr leer. Sicher, Griezmann war gut, sehr gut sogar, aber ein Held? Kane wurde Torschützenkönig, aber England verabschiedete sich auf dem vierten Platz, da gibt es keine Heldenverehrung, Pech gehabt, Mr. Kane!

Doch nicht nur die Helden mussten wir vermissen, auch die Bösewichter blieben zu Hause. Wer könnte sich nicht an den Kopfstoß zwischen Zidane und Materazzi im Berliner Olympiastadion erinnern? Ein solcher Kampf Mann gegen Mann gehört nicht auf den Fußballplatz, und das machte die beiden Akteure zu Anti-Helden. 2014 in Brasilien biss sich Luis Suarez auf ungewöhnliche Weise durch, beim 1:0 Uruguays gegen Italien lieferte er eine Biss-Attacke gegen Italiens Chiellini und sorgte damit für den negativen Höhepunkt der WM.

Das Olympiastadion in Rom sah 1990 das schlechteste Finale der WM-Geschichte, Deutschland gewann mit einem Elfmetertor in der letzten Minute gegen Argentinien. Zwei argentinische Spieler sehen Rot, Pedró Monzón grätscht Jürgen Klinsmann brutal, Gustavo Dezotti reisst Jürgen Kohler am Hals um. Aus Sicht der Argentinier Märtyrer vielleicht, für die deutschen Fans ganz klare Bösewichter.